Geschichte der Wolgadeutschen

BRUBACHER, Paula (geborene Schmid) (geb. am 27. Juni 1902 in Basel, Schweiz; gest. am 2. April 1973 in Moskau, UdSSR), leitete die Frauenabteilung des Gebietskomitees der KPdSU in der ASSR der Wolgadeutschen (1928-30). Mitglied der Russischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki) seit Juni 1921.

Sie wurde in einer Arbeiterfamilie geboren. Die Eltern waren Kommunisten ihren politischen Ansschauungen nach. Die Elementarbildung bekam sie in einer Volksschule, absolvierte 4 Klassen der primären Schule und 4 Klassen der sekundären Schule in Basel. 1917 bis 19 lernte sie in einer Handelsschule zu Basel. Ihre Berufstätigkeit begann 1919 in der AG „Bell“, die Fleischverarbeitung trieb, dort arbeitete sie ein Jahr „bei Korrespondenz und Buchführung“. Dann arbeitete sie ein Jahr lang als Buchhalterin in der Handelsfirma „Schutges & Co“.

1917 bis 19 war sie ein Mitglied bei der Sozialistischen Jugend Basels; erfüllte eine Reihe von Aufträgen und Diensten, war als Kassiererin, Sekretärin, Mitglied des Baseler Komitees usw. tätig. Zur Zeit der Spaltung des Schweizerischen Sozialistischen Jugendverbands ging sie zum Kommunistischen Jugendverband über. Mitglied der Kommunistischen Partei der Schweiz seit Januar 1921.

Im März 1921 kam sie nach Sowjetrussland mit ihrem Mann Waldemar Brubacher. Einige Zeit war sie als Stenotypistin und Stenografin bei der Presseabteilung der Komintern in Moskau tätig. Dann zog sie nach Marxstadt um, wo man sie im Juni 1921 durch die Marxstädter Parteiorganisation als Mitglied in die Russische Kommunistische Partei (Bolschewiki) ohne Kandidatenzeit, laut Parteidokumenten aus der Schweiz aufgenommen hatte. Vom Juni 1921 bis Mai 1922 war sie nirgends berufstätig und wurde von ihrem Mann unterhalten. Vom Mai bis September 1922 war sie als Stenotypistin und Stenografin bei der Redaktion der Zeitung „Nachrichten“ tätig. Vom September bis Dezember war sie nicht berufstätig und wurde von ihrem Mann unterhalten. Dann hat man sie zur Partei- und Sowjetschule des Gebiets der Wolgadeutschen in Pokrowsk abkommandiert, wo sie vom Dezember 1922 bis Juli 1923, nach dem neunmonatlichen Programm der Sowjet- und Parteischulen 2. Stufe bei der Hauptpolitbildung, den theoretischen Lehrgang und die praktische Ausbildung an der Sektion zur Frauenarbeit besucht und erfolgreich absolviert hatte. Nach Absolvierung der Schule war sie vom 15. August 1923 bis zum 1. Januar 1927 als Instrukteurin in der Abteilung zur Arbeit unter den Arbeiterinnern und Bäuerinnen (Frauenabteilung) des Gebietsparteikomitees der ASSR der Wolgadeutschen tätig. Vom Januar bis Oktober 1927 war sie stellvertretende Leiterin im Komitee  der Hauptversicherungskasse der ASSR der Wolgadeutschen in Pokrowsk. Dann lernte sie vom November 1927 bis April 1928 in der Schule der Gewerkschaftsbewegung in Moskau. Vom Mai bis August 1928 war sie erneut stellvertretende Leiterin im Komitee der Hauptversicherungskasse in Pokrowsk. Von der 16. Gebietsparteikonferenz (20.-25. August 1928, Pokrowsk) wurde sie als Mitglied des Gebietsparteikomitees und Kandidatin zum Gebietsbüro der KPdSU in der ASSR der Wolgadeutschen gewählt und als Leiterin der Gebietsabteilung zur Arbeit unter den Arbeiterinnern und Bäuerinnen (Frauenabteilung) des Deutschen Gebietskomitees ernannt. In diesem Amt war sie bis Februar 1930 tätig und begann dann auf Empfehlung des Deutschen Gebietskomitees ihr Studium an der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Saratow. Im April 1930 ist sie, wegen der Versetzung zur Arbeit nach Moskau von F. Huszti (zweiter Ehemann von Paula Brubacher), zum Studium an der landwirtschaftlichen Timirjasew-Akademie übergangen.

Vom Mai 1930 bis März 1931 studierte sie an der Arbeiterfakultät der Timirjasew-Akademie für grosse sozialistische Landwirtschaft in Moskau. Nach dem Studium war sie bei der Komintern tätig. Vom 17. März bis zum 30. April 1931 war sie Sachbearbeiterin zu Fragen der Arbeit unter den Bäuerinnen beim Internationalen Frauensekretariat der Komintern. Vom 1. Mai 1931 bis zum 1. April 1933 war sie Sachbearbeiterin im Mitteleuropäischen Ländersekretariat der Komintern. Dann war sie einige Jahre nirgends berufstätig, besorgte die Hauswirtschaft und wurde von ihrem Mann unterhalten bis zu seiner Verhaftung im Juni 1937. Vom April 1933 bis Juli 1934 lebte sie mit ihrem Mann im Ausland. Nach der Rückkehr nach Moskau absolvierte sie sechsmonatliche Kurse für Krankenschwestern der Russischen Gesellschaft des Roten Kreuzes. Vom Oktober 1934 bis Juni 1936 bekam sie Unterstützung von der Internationalen Roten Hilfe. Vom August 1937 bis Januar 1938 war sie als Gestalterin in der Gewerkschaftsartel „Spielzeug“ tätig.

Im August 1937 wurde sie wegen der Verhaftung ihres Manns F. Huszti aus den Reihen der KPdSU ausgeschlossen. Verhaftet vom NKVD am 8. Januar 1938. Zur Zeit der Verhaftung wohnte sie in Moskau, Adresse: Bolschaja Dmitrowka Str. 4, Wohnung 11. Verurteilt durch Beschluss der Sonderberatung beim NKVD der UdSSR vom 21. März 1938 „als Familienmitglied eines Hochverräters“ (gemeint ist F. Huszti) zu 8 Jahren im Arbeitserziehungslager. Am 2. April 1938 wurde sie zum Temlag des NKVD der UdSSR, ASSR Mordowien, verwiesen. Weiterhin büßte sie ihre Strafe im Workutlag des NKVD der UdSSR (Komi ASSR, Polargebiet) ab. Ab 1939 war sie im Lagpunkt Kotschmess als Krankenschwester und Arzthelferin tätig. Vom 1. Juni 1940 bis zur Befreiung am 28. März 1946 arbeitete sie als Krankenschwester in der Sanitätsabteilung der Sowchose „Bergarbeiter“ des Workutstroj (1944 umgestaltet in Kombinat „Workutugol“), Komi ASSR, Rayon Inta, Station Siwaja Maska, wo sie ihre Arbeit auch nach der Befreiung fortsetzte, bis zur Rückkehr nach Moskau 1958. Wurde rehabilitiert durch Beschluss des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR vom 8. Februar 1956. Durch Beschluss des Gebietskomiteesbüro der KPdSU von Komi vom 28. August 1956 wurde ihre Mitgliedschaft in der KPdSU wiederhergestellt.

Sie starb an einer Krebskrankheit am 2. April 1973 in Moskau. Beigesetzt am Moskauer Donskoi-Friedhof.

Auszeichnungen: Jubiläumsmedaille „Für heldenmütige Arbeit (Für Heldentum im Kampf). Zum Gedächtnis an den 100. Geburtstag von Wladimir Iljitsch Lenin“ (1970).

Liste der Beiträge von P. Brubacher:

  1. Fünf Jahre Arbeit der Kommunistischen Partei unter den werktätigen Frauen der deutschen Wolgakolonien // Unsere Wirtschaft, 1925, Nr. 4, S. 104; Nr. 6, S. 170.
  2. Die Frauenbewegung im verflossenen Jahre in unserer Republik // Unsere Wirtschaft, 1926, Nr. 9, S. 131; Nr. 10, S. 147.
  3. Über die Arbeit unter den Frauen-Mitgliedern der Dorfräte // Unsere Wirtschaft, 1926, Nr. 15, S. 227.
  4. Die werktätigen Frauen. Zum 10jähr. Bestehen der Wolgadeutschen Autonomie // Nachrichten, Nr. 3 vom 1. Juni 1929.
  5. Die brennenden Fragen der Arbeit unter den Frauen // Internationale Presse-Korrespondenz (Inprekorr), Nr. 103, 1932. S. 3384 f., Nachtrag S. 3403.

1. Ehe: Januar 1921 (geschieden seit 1923), Ehemann Waldemar Brubacher (1897 - ?), Gebietssekretär des Komsomols in der Arbeitskommune (dem Gebiet) der Wolgadeutschen (1921-22), Redakteur der Zeitung „Nachrichten“ (1922-23).

Kinder:

1. Sohn Peter, geb. im Januar 1922 in Marxstadt; gest. im September 1922 in Pokrowsk.

2. Ehe: 1923, Ehemann Franz (Ferenc) Huszti (geb. am 9. November 1893 in Salaber, Österreich-Ungarn; gest. am 10. Dezember 1937 in Moskau, UdSSR), Ungar, Parteifunktionär, Verantwortlicher Sekretär des Gebietsparteikomitees der ASSR der Wolgadeutschen (1928).

Kinder:

1. Tochter Solveigh Huszti, geb. 1935 in Moskau. Wohnt zur Zeit (Sommer 2022) in Moskau.

3. Ehe: Oktober 1946, Ehemann Sergej Wassiljewitsch Pawlow, geb. 1902, Ingenieur; hatte aus der ersten Ehe 3 Töchter: Nina, Rosa und Galina. Starb Anfang 1958 an einer Krebserkrankung.

Alexander Spack (Berlin)

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Übersetzung aus dem Russischen von Viktor Diesendorf.



При подготовке статьи использованы:

Bei der Vorbereitung des Artikels wurden folgende Quellen benutzt:

  1. Huber, P.: Stalins Schatten in die Schweiz. Schweizer Kommunisten in Moskau: Verteidiger und Gefangene der Komintern. – Zürich: Chronos, 1994, S. 297-298.
  2. Schmid, B.: „Du weißt mich jetzt in Raum und Zeit zu finden“. Zwei Frauen zwischen Basel und Moskau. – Zürich: Rotpunktverlag, 2020.
  3. Informationen, die von Beatrice Schmid, Großnichte von Paula Brubacher-Schmid, bekommen wurden.

Archive:

  1. GANISO (Staatliches Archiv zur neusten Geschichte des Gebiets Saratow). B. (Bestand) 1. L. (Liste) 3. A. (Archivstück) 32.
  2. GANISO. B. 1. L. 7. A. 40/144.
  3. GANISO. B. 1. L. 7. A. 40/145.
  4. GANISO. B. 27. L. 5. A. 43/87.
  5. GANISO. B. 57. L. 8. A. 1506.
  6. RGASPI (Russisches staatliches Archiv zur sozial-politischen Geschichte). B. 17. L. 99.
  7. RGASPI. B. 17. L. 100. A. 5669.
  8. RGASPI. B. 17. L. 107.
  9. RGASPI. B. 495. L. 274. A. 231.
  10. Archivbescheinigung des Zentralarchivs des FSB (Inlandsgeheimdiensts) der RF Nr. 10/А/Ш-1469 vom 07.06.2022, zusammengestellt nach Unterlagen der Archivstrafsache Nr. Р-3889.

Photo:

  1. RGASPI. B. 495. L. 274. A. 231.

Bescheinigung, ausgestellt für W. Brubacher und seine Ehefrau Paula vom Büro der Komintern zu Petrograd am 12. März 1921.

Quelle: RGASPI. 495. L. 274. A. 143. S. 10.


Empfehlung für P. Brubacher vom 4. März 1931 bei ihrem Dienstantritt in der Komintern-Exekutive, ausgestellt vom ehemaligen Leiter des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen Joh. Schwab, der zu dieser Zeit Marxismus-Leninismus-Kurse beim Zentralexekutivkomitee der UdSSR in Moskau besuchte.

Quelle: RGASPI. B. 495. L. 274. A. 231. S. 5, 5-2.


Empfehlung für P. Brubacher vom 4. März 1931 bei ihrem Dienstantritt in der Komintern-Exekutive, ausgestellt vom Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen H. Fuchs.

Quelle: RGASPI. B. 495. L. 274. A. 231. S. 6, 6-2.


Berichtskarte zum Parteidokument Nr. 1218325 (Muster von 1936) von P. Brubacher, ausgestellt für sie vom Kiewer Rayonkomitee der KPdSU zu Moskau am 21. Juni 1936.

Quelle: RGASPI. B. 17. L. 99.


Berichtskarte zum Parteidokument Nr. 07258322 (Muster von 1954) von P.I. Pawlowa (Brubacher), ausgestellt für sie vom Rayonkomitee der KPdSU zu Inta, Komi ASSR, am 5. Oktober 1956.

Quelle: RGASPI. B. 17. L. 107.


Paula und Waldemar Brubacher, 1921.

Das Photo wurde von Beatrice Schmid (Schweiz) zur Verfügung gestellt.


Paula Brubacher, 1924.

Das Photo wurde von Beatrice Schmid (Schweiz) zur Verfügung gestellt.


Pawlowa P.I. (Brubacher) / 1902‒1973 / Mitglied der KPdSU seit 1921.
Grabmal am Donskoi-Friedhof (Moskau).

Das Photo wurde von Beatrice Schmid (Schweiz) zur Verfügung gestellt.