Geschichte der Wolgadeutschen
Приложение к статье: Борегар(д), де, барон

Bericht und Erläuterung

von den
Vortheilen und Vorzügen der Bevölkerung
der

Catharinen-Lehn,

oder

Herrschaft auf Schweizerischem Fuß eingerichtet.


Der Siz von diesem Lande befindet sich 50. und 52. Grade der Entfernung, gegen über von Saratoff, an dem Wolgafluß, ein Climat ziemlich ähnlich dem von Lyon in Frankreich; die Kälte verspürt man kaum mehr als 3. Monate, und das Erdrich von guter schwarzlechter Beschaffenheit, ist von unvergleichlicher Fruchtbarkeit, erträgt mit sehr wenig Mühe, ohne Dung, die Saat 15. oder 16. doppelt. Es sind unstreitige Proben dessen, daß die neuen Colonisten, welche vergangenen Frühjahrs daselbst angelangt, die Saat von Erbsen, hundertfach eingeerndet haben, die in Eil und sehr spat gesäet worden.

Das Mattland ist von sonderbarer Kostbarkeit, und das Vieh sehr zahlreich; die Kühe find gleich den Holländischen, sowohl an Güte als Grösse, und die Pferde unvergleichlich zum Lauffen und zur Arbeit, kosten nicht mehr wegen grosser Anzahl, als 5. oder 6. Rublen, (eine Rubel thut 30. Bazen Reichsgeld,) eine Kuhe 4. Rublen, das beste Fleisch von Ochsen, Schaafen, Kälbern und Schweinen verkauft sich für ein Luzerschilling, oder ein Kreuzer Reichsgeld das Pfund.                     

Allerhand Gattung Früchte wachsen nach Wunsch: Weizen, Roggen, Türkenkorn, Bohnen, Erbs, Gersten, Haber, Hirß, Fench, Hanf und Flachs etc. Das Erdrich in einichen Gegenden ist auch sehr tauglich zum Rebland, und hat schon in anstossendem Gebiethe sehr gute Trauben und Weine; und der wilde Maulbeerbaum befindt sich auf den Inseln obbemeldten Flusses, welcher zur Nahrung der Seidenwürmer grossen Nuzen bringen kan; die Kirschen und andre Früchte wachsen in grosser Menge, und die Gartenkräuter sind fast umsonst zu haben, auch in dem größten Winter sehr wohlfeil; der Sparz wächst in Matten und in Feldern, wie auch die Hyazinten, Tulipa und andre Blumen.           

Das Gras war schon den 18ten April eines halben Manns hoch, nach Zeugniß einicher glaubwürdiger Colonisten, die dort seßhaft sind. Allerley Wildbrät und Geflügel sind dort im Ueberfluß, wie auch allerhand Gattung Fisch, die in größter Menge in den Flüssen wimmeln.

Einige Gegenden sind sehr tauglich zum Tobakpflanzen, und der Carance ober Graps. Die Stellung des neuen Flekens, die verschiedenen Dörfer, die in diesem Etablissement sind, werden so vortheilhaft gelegen seyn, an, und rings um die Flüsse, die ihren Außlauf in die Wolga haben, damit die verschiedenen Waaren und Lebensmittel können bis an die Gränzen von Persien gebracht werden, und dagegen sehr reiche Sachen und Waaren zu beziehen; vermittelst gleichen Flusses kan man aufwärts fahren durch Cassan nach Moschgau, St. Petersburg, bis in das Baltische Meer, und während drey Monaten Winterszeit, kostet die Fuhr sehr wenig. Die Handlung kan sich ausdähnen, durch den Don oder Tanais, bis in das Mittelländische Meer. Das Wachs und Honig ist in grosser Anzahl in diesen Gegenden, die Häute von allerhand Thieren, wie auch das Pelzwerk, sind nicht ein geringer Theil der Handlung, deßgleichen die Juchten- oder Brüschläder, so allerorten berühmt: es wäre überflußig alles vorzustellen, wie viel Vortheile jeder Handwerker, Künstler, Fabrikant, und besonders die geschikten und landsverständigen Bauersleute haben werden, daselbst sich zu sezen, unter der Hülfleistung und Sorgfalt, welche Ihro Kays. Majestät von Rußland sehr liebreich accordiert, deßgleichen alle Vorsorge, welche das Oberhaupt dieser Colonie anwenden wird, jedermann nach seinem Stande das füßeste Leben zu verschaffen, ohne zu vergessen, was zur guten Auferziehung der Jugend beytragen kan; die Künste und Handwerke in Aufnahme zu bringen, den Witwen und Waysen nach ihrem Stande einen ehrlichen Unterhalt zu versichern.

I. Ihro Kays. Majestät gestattet den Colonisten unverhindert die freye Religionsübung, nach ihren Kirchensazungen und Gebräuchen, und erlaubet ihnen die Freyheit, Kirchen und Glokenthurn zu bauen, und durch die nöthigen Reformierten, Catholischen und Lutherischen Kirchendiener zu unterhalten.

II. Soll kein Fremder dieser Kolonie noch ihre Kinder, an unsre Cassa die geringsten Abgaben entrichten, und innert 30. Jahren weder gewöhnliche oder ausserordentliche Dienste zu leisten verbunden seyn, als nach dieser Zeit nur zum gewöhnlichen Landdienste, und Bezahlung des wenigen Kopfgeldes, wie die alten Einwohner des Reichs.

III. Wird jedem erlaubet, Rußland zu verlassen, wann ihme gefallt, nachdem er wieder erstattet hat, was ihme ist vorgestrekt worden, wie auch alles erworbene Gut mitzuführen, nach Bezahlung des fünften der Herrschaft, so er nicht über fünf Jahre dort geblieben, und nach fünf Jahren nur der zehente; die bemeldte Erstattung geschieht nur nach den zehen ersten Jahren, in drey gleichen Zahlungen, von Jahr zu Jahr, und ohne Zinst.

IV. Es wird jedem erlaubet, die völlige zollfreye Einfuhr seines Vermögens, es bestehe worinn es wolle, und zu seinem eigenen Gebrauch bestimmt sey, wie auch jeder Famille für dreyhundert Speciesthaler Waaren, zu verkauffen, ohne Zoll und Geleit, wofern nicht einige Haußhaltung vor den bestimmten zehen Jahren Rußland verlassen, in solchem Fall sie von den Waaren der 300. Thlr. wärts den Zoll schuldig sind.

V. Das Oberhaupt dieser Einrichtung wird denen, so nicht im Vermögen sind, die Waaren anschaffen, welche Ihro Majestät jeder Famille die Einfuhr erlaubet, mit Beding laut Manifests, und das mit dem Gewinn so daraus fliessen kan, zu Nuzen der Colonisten, nach Abzug der geringen Provision drey vom Hundert, zu Gunsten der Kaufleute so sich beladen der Versendung, Verkauf und anderer Hülfreichung, den Colonisten zu leisten gehalten sind.

VI. Es wird der Colonie erlaubet, nach ihrem Gutdünken Markttäge und Jahrmärkte anzustellen, ohne an unsre Cassa die geringste Abgabe oder Zoll zu erlegen.

VII. Ihro Kays. Majestät laßt die Vorschußgelder zahlen für den Transport und Reißkösten bis zu der Hauptstadt ihres Reichs, von dannen die Colonisten ohne Entgeld bis an den Ort des Etablissements versorget und verferggert werden. Sie empfahen neben der Hülfreichung und Vorschuß, den täglichen Unterhalt während einem ganzen Jahr, auch gebaute Häuser samt allem so zum bauen nöthig ist, desgleichen Scheuren, Ställe von erforderlicher Weie und Grösse, nach dem Erdrich so ihnen übergeben wird.

VIII. Es wird ihnen auch die erste Saat gelieferet, sowohl für Winter als Sommer. 

IX. Ein Pferd für jede Person, tüchtig zum pflügen, ohnedem noch eines zur Vorsorge für jede Haußhaltung.

X. Alles erforderliche Geschirr, Wägen, Pflüg, Schlitten, und aller Werkzeug, Zubehör und Materialien, zu jeder Famille noch ein Stuk über das was schon vermeldt.

XI. Kühe, Schafe, Schweine, nach der Zahl der Personen, grosse und kleine, das Geld zum Einkauf der Hüner und Gänse.

XII. Für die Handwerker in den Dörfern und flachen Lande, alles nach dem  Theil Lands, so ihnen abgetretten wird, auch die Materialien so sie zu verarbeiten im Stande sind, mit ihrem Haußgesinde, in 2. Monat Zeit, und denen in der Stadt 6. Monat lang, mit Uebergebung soviel Erdrichs als sie bauen können, oder nöthig haben zu ihrer Einrichtung, mit Begrif des Vorschusses und Hülfleistung wie den Akersleuten.

XIII. Ihro Kays. Majestät accordiert mit sonderbarer Gnade, die Genehmhaltung dem Oberhaupt der Colonie, den Personen von verschiedenem Stande, daß sie gleichen Rang und Character behalten, den sie anderwärts gehabt haben, erweisen können, daß ihme über das erlaubt seye, diese Colonie auf Schweizerischen Fuß einzurichten. Unter der innern Bottmäßigkeit und Policey, mit Vergebung der Ehrenstellen, von Obrist, Obrist-Lieutenant, Majors, Hauptleute, Lieutenant, Fändrich, Landvögt, Obmann, Untervögt, Schulzen und Geschworne der Coloney, welche ihre Besoldung richtig beziehen werden, von den schuldigen Einkünften des Etablissements, sogar von der Zeit an, da sie beschäftiget sind, mit Versammlung und Versendung der Colonisten, ungeacht des Abtrags von dem Erdreich , welches ihnen zu Nuzen erblich hingeben wird, nach der Zahl der Familie und ihrer Dienste, nemlich dem Hauptmann oder dem Obmann, zu 5. Famille gerechnet 150. Desatinen, (eine Desatine thut 3. Jucharten,) also 450. Jucharten. Die mindre Abtheilung, der Schulz oder Vogt einer Gemeind, der Landarbeit kündig ist, der schreiben und lesen kan, hat Weib und Kind, oder 2. Mägd, (ein Mann mit Weib und ein Kind sind für eine Famille gerechnet,) soll die Aufsicht haben über die Gemeinde, sein Lehen wird das erste seyn, bestehend in 21. Köpfen, nemlich siben Männer verheyrathete Akersleute, seine Person Mitbegriffen, also siben Weiber, zwey Handlanger und fünf Kinder, mehr oder minder, wird haben erblich zu Nuzen für ihn und seins Familie 75. Desatinen oder 225. Jucharten Erbrich.

Der andre Mersmann hat 25. Desatinen oder 75. Jucherten; der dritte Bauersmann, 24. Desatinen oder 72. Jucharten; der vierte Bauer 54. Jucharten, der fünfte dito 45. Jucharten , der sechste dito 36. Jucharten, der Hirt begriffen mit den siben verheyratheten Männern, auch 36. Jucharten, und jeder Handlanger 30. Jucharten.

Es wird jedes Landgricht bestehen, von fünf Gemeinden,  und jede Gemeind von 40. Familie, dazu kommen noch 2. Famillien Rebleute, mit Besiznehmung 72. Jucharten für jede. NB. Von Lübek bis St. Petersburg macht sich gemeinlich die Ueberfarth, in 7. oder 10. Tagen bey günstigem Wetter, und von der besagten Hauptstadt in 10. oder 12. Tagen biß an das Ort der Niederlassung über Lande, aber auf der Wolga hinunter ist die Reiß etliche Wochen länger, wegen den Umwegen des Flusses.

NB. Diejenigen welche Lust haben an diesen Vortheilen Antheil zu nehmen, können sich anmelden bey Hrn. von Caneau von Bauregard im Schloß Brokhnysen durch Uetrecht, oder bey Hrn. Schmid Russischer Comissari zu Lübek, oder bey Hrn. Oldencop, Consul von gleicher Krone zu Amsterdam. Zu Cöln am Rhein bey Hrn. Capit. von Weimar bey dem guldenen Lamm; zu Hamburg in der Teuchstras, bey Hrn. Capit. Major von Monjou; zu Frankfurt am Mayn bey Hrn. Obrist-Lieut. von Monjou als Mitthafte von besagtem Oberhaupt, welche Procur haben. Es soll sich jeder entschliessen ob sie Willens sind, in dieses Pflanzort einzutretten. Sie werden paar Geld empfangen, für jeden Tag so sie auf der Reiß gewesen, unter Begleit eines Führers dieser Colonie, auf dem Fuß wie solches eingerichtet in dem Hauptplan, von dem Ort an ihres Auffenthalts, und noch darüber eine ehrliche Beschenkung, wie solche den Führen bestimmt ist. Nach Ausgang Märzmonats künftigen Jahrs, wird Niemand mehr angenommen als durch Subscription. Es kan sich Jedermann selbst durch Briefe anmelden, damit er könne von der ersten Austheilung des Erdrichs Theil haben.

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QUITTANZ.

Ich unterschriebener

der Gemeine von                                     bestehende in

Familien, gehörig zu denen ausländischen Colonisten der neuen Colonie, Catharinen-Lehn,

 

welche Ihro Kays. Majestät an den Herrn Baron  De Caneau de Beauregard zum Etablissement an der linken Seite des Wolgastrohms allergnädigst zugestanden haben, verspreche und verpflichte mich sowohl für mich selbsten, als für

 

daß ich in denen erstlaufenden zehn Jahren, jedoch ohne Beyfügung einiger Zinsen, wieder bezahlen und restituiren wolle, die Summa von

welche zum Unterhalt, Reisekosten, und zur Bestreitung des Transports bis St. Petersburg für gemeldte Gemeine, bestehende in                      Familien, verwandt worden ist, und zwar nach dem Inhalt Ihro Kayserl. Majestät Ukase oder Manifestes, nemlich in drey gleichen Terminen. Wir Unterschriebene geloben anbey sämmtlich, und ein jeder insbesondre, zur vorbeschriebenen Schuldtilgung à rato so viel contribuiren zu wollen, als es nach Advenant der an jeglicher Familie zum erblichen Gebrauch verwilligten Ländereyen, nach der heute mit

                                                           geschlossenen Convention betragen wird, und zwar in den vorbeschriebenen Terminen, nemlich von jeder Desatine eine Summa von

Wir haben in Kraft dieses gegenwärtige Verpflichtung und Quittanze eigenhändig unterschrieben, auf           gleichlautende Exemplare, in Gegenwart von

 

 

 

 

also hiezu erbetenen Gezeugen, wie auch von

 

 

 

Colonisten, so wie wir.

          Actum in                        den                       17



Staatsarchiv Zürich. Bestand A 174 Stichwort „Auswanderung nach Neu-Russland“.


Bereitgestellt von David Widiker.