RSFSR SARATOWER GEBIETSGERICHT Stadt Saratow, Nekrasow-Straße 17 Tel. 82-09, 2-16-89, ATS 245 |
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G e h e i m Akte Nr. 4-us-214 |
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BESCHLUSS DES PRÄSIDIUMS DES GEBIETSGERICHTS vom 21. September 1964 |
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Zusammensetzung des Gremiums: Vorsitzender Genosse ANOSCHIN M. S. Mitglieder Genossen SCHEWTSCHENKO N. P., PODTSCHUKAEWA A. W., TSCHERWJAKOWA K. K., KASTENKO A. M. Im Beisein des Gebietsstaatsanwalts CHILKO F. K. Nach dem Bericht des Mitglieds des Gebietsgerichts Genosse KOSTENBERG JA. S. überprüfte das Verfahren in der Anklage von DINGES G. G., SINNER P. I. und SYNOPALOW A. K. hinsichtlich des Einspruchs des Staatsanwalts des Gebiets Saratow auf den Beschluß der Sonderberatung beim Kollegium der OGPU vom 1. Februar 1932, wonach: |
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DINGES Georg v. Heinrich, geb. 1891 im Dorf Blumenfeld, Kanton Pallassowka, ehemalige ASSRdWD, Deutscher, Staatsangehöriger der UdSSR, parteilos, bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung als Rektor [1] des Pädagogischen Instituts tätig; SINNER, Peter v. Johann, geb. 1879 im Dorf Schilling, Kanton Marxstadt, ehemalige ASSRdWD, Deutscher, Staatsangehöriger der UdSSR, parteilos, bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung als Dozent am Leningrader Institut für Industrie und Arbeit tätig; SYNOPALOW, Anatolij v. Konstantin, geb. 1885 in Reval (Estland), Russe, Staatsangehöriger der UdSSR, parteilos, Professor, bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung als Prorektor am Pädagogischen Institut in Engels tätig [2], verurteilt wurden: SINNER zu 3 Jahren Freiheitsentzug, DINGES und SYNOPALOW - jeder zu 3 Jahren Verbannung. |
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Nach der Anhörung des Berichtes und der Schlußfolgerung des Staatsanwalts, der den Protest unterstützt, das Präsidium STELLTE FEST: Sinner, Dinges und Synopalow wurden für schuldig befunden, während ihrer Beschäftigung am Engelser Pädagogischen Institut [3] antisowjetischer nationalistischer Tätigkeit und antisowjetischer Agitation nachgegangen zu sein. Im Einspruch wurde die Frage nach der Aufhebung des Beschlusses der Sonderberatung beim Kollegium der OGPU aufgeworfen und der Einstellung des Verfahrens gegen Dinges, Sinner und Synopalow angesichts des Fehlens des Tatbestandes eines Verbrechens. Das Präsidium befindet, dem Einspruch stattzugeben. Die Zeugen Schewtschuk, Sinner [4], Dreher, Baumann und Kassandrowa, nach deren Aussagen Sinner, Dinges und Synopalow verurteilt wurden, sagten nichts Konkretes über die konterrevolutionare Tätigkeit der Verurteilten aus. Bei dem Verhör vom 18. April 1930 charakterisierte die Zeugin Kassandrowa Dinges als einen nationalistisch gestimmten Menschen, hatte aber kein einziges Beispiel seiner nationalistischen Tätigkeit angegeben. Mehr noch, während der Überprüfung beim Verhör vom 28 Juli 1964 erklärte sie, daß sie niemals antisowjetische Aussagen von Dinges gehört hätte und ihn nie zu einem der Sowjetmachtmacht feindlich Gestimmten zählte. Somit fehlen in den Ermittlungsunterlagen Beweise für eine kriminelle Handlung der Verurteilten. Die Untersuchung in der Strafsache Dinges, Sinner und Synopalow wurde mit gravierenden Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der Norm der Strafprozeßordnung der RSFSR durchgeführt: Die Verurteilten wurden ohne Genehmigung des Staatsanwalts verhaftet, die Anklageschrift wurde ihnen nicht vorgelegt, mit den Unterlagen ihrer Strafsache waren sie nicht vertraut. Im Einvernehmen mit dem Einspruch und nach Artikel 377 und 378 der Strafprozeßordnung der RSFSR BESCHLIESST das Präsidium: Der Beschluß der Sonderberatung beim Kollegium der OGPU vom 1. Februar 1932 ist aufzuheben, und die Strafsache gegen Georg v. Heinrich DINGES, Peter v. Johann SINNER und Anatoli v. Konstantin SYNOPALOW ist laut Artikel 5 Abschnitt 1 der Strafprozeßordnung der RSFSR einzustellen, da der Tatbestand eines Verbrechens fehlt. |
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Der Vorsitzende des Präsidiums des |
Unterschrift (M. ANOSCHIN) |
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Archiv Upravlenija FSB po Saratovskoj oblasti |
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[1] In diversen Veröffentlichungen wird Dinges mal als Rektor, mal als Prorektor der Hochschule bezeichnet. [2] Hier ist dem Gericht ein Fehler unterlaufen. Synopalow verließ Pokrowsk noch im Sommer 1930 und wurde in Moskau verhaftet. [3] Das Gerichtspräsidium benutzt diese Bezeichnung um zu verschleiern, daß es sich um eine Deutsche Pädagogische Hochschule in der ehemaligen ASSR der Wolgadeutschen handelt. [4] Es ist nicht ganz eindeutig, wieso Sinner auch als Zeuge angegeben wird. Vielleicht gibt es auch einen Zeugen mit diesem Namen oder es handelt sich um einen Schreibfehler. |
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Die Kommentare wurde von Dr. Viktor Krieger (Heidelberg) vorbereitet. |